Positionspapier schafft Fundament für Dialog und Umsetzung  

25. März 2021  


Im September 2020 veröffentlichte vediso in Kooperation mit FINSOZ das Positionspapier „BillingChain - Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern bei der Rechnungsstellung, Zahlung und Zahlungszuordnung nachhaltig verbessern“. Im Interview mit Benjamin Scharf, Leitung Prozesse & Umwelt bei der BruderhausDiakonie, wird deutlich, wie das Positionspapier seither gewirkt hat und wie es weiterwirken kann.


Die Idee ein Positionspapier zum Thema BillingChain zu entwicklen hast ursprünglich du an den vediso herangetragen. Was war denn der Hintergrund dafür?  

Benjamin Scharf: Die Idee kommt aus der Zeit, als ich als kommissarischer Leiter für das Rechnungswesen - Team tätig war. Wir hatten vor drei Jahren SAP eingeführt und mir war es nicht begreiflich warum wir so eine unglaublich niedrige Zuordnungsquote bei den Zahlungseingängen hatten. Ich war es aus meiner Zeit in der freien Wirtschaft gewohnt, dass man bei der Zuordnung von Zahlungseingängen eine 100% Quote hat. Im Austausch mit weiteren Leistungserbringern konnten keine Lösungen gefunden werden, vielmehr wurde klar, dass viele Leistungserbringer ähnliche Probleme haben, es sich also um ein branchenweites Problem handelt mit großen Auswirkungen. 20.000 Rechnungen pro Monat erstellen, drucken, prüfen, kuvertieren und versenden. Das ist die monatlich wiederkehrende Aufgabe für zehn Kollegen und Kolleginnen in der Leistungsabrechnung. Ein Großteil dieser Rechnungen wird dann von Leistungsträgern, also Städten oder Landkreisen, erfasst, geprüft, freigegeben und bezahlt. Wir haben also auf beiden Seiten einen unglaublichen Aufwand an Tätigkeiten, die im 21. Jahrhundert nicht mehr von Menschenhand gemacht werden müssten - und die ja auch niemand wirklich gerne tut.  

Auf deine Initiative hin, haben dann vediso und FINSOZ gemeinsam mit der BruderhausDiakonie das Positionspapier BillingChain erstellt. Grundlage waren neben der fachlichen Expertise von Herrn Prof. Dr. Wolff von der Hochschule Hof, Expertenworkshops mit weiteren Trägern und Einrichtungen der Sozialwirtschaft und von Seiten der Softwarehersteller. Hattest du selbst denn noch Erkenntnisse während des Erstellungsprozesses?  

Benjamin Scharf: Erstaunlich war wirklich, dass wir festgestellt haben, dass alle notwendigen Informationen und Daten bereits digital vorhanden sind. Und statt diese konsequent und durchgängig digital zu nutzen, haben wir nichts besseres zur tun als sie auszudrucken. Außerdem haben wir ja auch einen Ansatz entwickelt um das Einsparpotential mal konkret zu beziffern. Wir haben den personellen Aufwand der mit diesem Verfahren verbunden ist mal hochgerechnet und kamen auf 65 Millionen Euro pro Jahr, die bei einer konsequenten Standardisierung und Digitalisierung eingespart werden können. Die Einsicht war so einfach wie wichtig - diese Probleme kann keiner alleine lösen - das muss gemeinsam bearbeitet werden.  


Wie ging es dann nach der Veröffentlichung aus deiner Sicht weiter?  

Benjamin Scharf: Nachdem das Positionspapier von vediso und FINSOZ auf Bundesebene veröffentlicht wurde, haben wir es als Türöffner für Gespräche mit Landkreisen und weiteren Leistungserbringer genutzt. Unser Vorstand, Herr Lingk, hat sehr beharrlich Dialogeinladungen ausgesprochen und das Positionspapier als Instrument benutzt, um unser Anliegen zu unterstützen. Dieses Vorgehen hat uns tatsächlich bei vielen Landkreisen die Türen geöffnet.  

Zwei Faktoren haben dabei auch eine wichtige Rolle gespielt: Das BTHG bringt eine echte Bürokratiewelle mit, wenn wir alles bei den stehenden Prozessen belassen. Vor diesem Hintergrund   waren viele bereit, mit uns ins Gespräch zu kommen. Und natürlich, dass das Positionspapier das ganze Thema auch für die Leistungsträger objektiviert hat. Das war also nicht nur die Sichtweise einer einzelnen Einrichtung, sondern da steckt mehr dahinter.


Ihr habt ja zusätzlich auch den Schulterschluss mit anderen Leistungserbringern gesucht. Hat sich das bewährt?

Benjamin Scharf: Absolut. Wir haben mehrere Leistungserbringer in der Region angesprochen und eine Koalition gebildet. Konkret haben wir gemeinsam mit den Zieglerschen und der Stiftung Liebenau, die Landkreise, in denen wir gemeinsam aktiv sind und auch den Landkreistag gemeinsam angesprochen. Auf Basis der Koalition und des Positionspapiers konnten wir besser deutlich machen, wie wichtig das Anliegen ist.   Und dann ging’s tatsächlich recht schnell: Einige Landkreise haben das Thema für sich erkannt und ihrerseits im Landkreistag in Baden-Württemberg eingebracht und Gehör gefunden, vermutlich auch aufgrund der guten Fundierung des Positionspapiers. Der gemeinsame, dialogische Ansatz war aus meiner Sicht hier ausschlaggebend, dass wir gehört wurden. 


Und wie geht es jetzt weiter mit dem Anliegen die Prozesse zu standardisieren und zu digitalisieren?

Benjamin Scharf: Beim Landkreistag ist das Thema wirklich gut gelandet -dort ist die Klammer, die das Thema über alle Landkreise institutionalisiert und auch über Strukturen verfügt um Standardisierung zu realisieren. Dort wird jetzt ein Projekt aufgesetzt, für das sich alle beteiligten Akteure - also Landkreise, Leistungserbringer und auch Softwareanbieter, für die Teilnahme am Projekt bewerben können. Auch dort wird der dialogische Ansatz den wir gewählt haben fortgesetzt und zum eigenen Thema gemacht. Das Ziel besteht in einer Standardisierung für das ganze Land Baden-Württemberg. 


Eure Initiative hat ja schon richtig viel in Gang gesetzt. Glaubst du, dass das auch anderswo funktionieren kann? 

Benjamin Scharf : Der Dialog mit konkret betroffenen Leistungsträgern und konkret betroffenen Leistungs-erbringern ist die Grundlage für die Entwicklung von Lösungsansätzen. Ich würde mir wünschen, dass wir einen Impuls setzen und auch andere Leistungserbringer dazu ermuntern die Initiative zu ergreifen. Landkreise konkret zu einem Dialog zur Standardisierung der Rechnungsstellung und Zahlung einzuladen, vielleicht sogar auch in Koalitionen mit weiteren Leistungserbringern der jeweiligen Region, war für uns ein sehr erfolgreicher Ansatz.  Wenn wir so, Schritt für Schritt, in den Landkreisen voran kommen - wer weiß, vielleicht ist irgendwann der Boden bereitet für eine bundesweite Lösung.



Unser Angebot  

Wir haben in Quaive einen Arbeitsraum eingerichtet, in dem ihr euch nicht nur mit potentiellen „Koalitionspartnern“ vernetzen könnt sondern auch das Anschreiben, mit der die BruderhausDiakonie die Landkreise angeschrieben hat, als Vorlage für eure Kommunikation findet und nutzen könnt. Auch stehen wir für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.  Hier geht es zur Vorlage. - Los geht’s!  



Die Fragen stellte Sarah Theune, Vorständin des vediso